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machten Vorschläge der Gracchen, welche aus einem tief gefühl-
ten Bedürfnisse der Zeit hervorgehen, führt zu einem offenen
Bruche zwischen beiden Parteien. Das Volk unterliegt und fühlt
den geschärften Druck mit um so größerer Bitterkeit. Sitten-
losigkeit und Habsucht greifen immer mehr um sich, und die
Verfassung löset sich mehr und mehr auf. Sklavenaufftände er-
folgen, und bald erzwingen sich die italischen Bundesgenossen,
welche durch die vorausgehenden Kämpfe zu erhöhten Ansprüchen
gereizt worden sind, die Aufnahme ins römische Bürgerrecht.
Die Unsicherheit der Verhältnisse und das Parteiinteresse läßt
ehrgeizige Volksführer in ihnen neue gefährliche Werkzeuge finden,
und durch sie für wenige Jahre eine Gewaltherrschaft, welche
von Sulla gebrochen, und durch eine andere Gewaltherrschaft,
die der Aristokraten, ersetzt wird. Aber auch diese ist nicht von
Dauer. Sie wird allmälig von Cäsar und Pompejus unter-
graben. Ihren Untergang findet sie auf dem Schlachtfelde von
Pharsälus. Denn von nun an fragt es sich nicht mehr, ob ein
Einzelner vermittelst des Heeres und des Volkes herrschen soll,
sondern wer dieser Einzelne sein soll. Der Ausgang der Schlacht
bei Actium (31 vor Ehr.) entscheidet zuletzt für C. Julius Cäsar
Octavianus. — Bei diesem innern Verfall des Staates ent-
wickeln dennoch die Römer, wenn es bloß auf das Kriegführen
und Schlachten gewinnen ankommt, eine oft bewunderungswür-
dige Kraft. — Künste und Wissenschaften stehen in schönster Blüthe.
Dritter Ieitraum.
Rom unter Kaisern. 30 vor Chr. — 470 nach Chr.
Im Ganzen genommen — denn an einzelnen schönen Pe-
rioden fehlt es nicht — ist die Kaisergeschichte die Zeit des all-
mäligen Verfalles sowohl den innern Staatsformen nach, als
auch der nach Außen gerichteten Macht. Dieser Zeiraum kann
ebenfalls in drei Abschnitte zerlegt werden:
Erster Abschnitt. Vom Anfänge der Negierung des Kai-
sers Augusius bis zum Tode des Kaisers Marc Aurel 180.
Mit Klugheit und Milde ordnet Augustus die Verhältnisse des
Herrschers zu Senat, Heer und Volk; allein seine nächsten
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Extrahierte Personennamen: Sulla Cäsar Julius_Cäsar
Octavianus Cäsar Marc_Aurel Augustus
_____43_________
Thronfolger überschreiten alle Grenzen der Mäßigung und trei-
den mit dem Vermögen und dem Leben der edelsten Bürger ein
grausames Spiel. Es entsteht eine zügellose Soldatenherrschaft,
und die Prätorianer verfügen selbst über den Thron. Erst Vespa-
sian stellt die Ordnung wieder her, die auch von seinen Nachfol-
gern, den einzigen Domitian ausgenommen, bis zum Jahre 180
aufrecht erhalten wird; und das Reich blühet wieder auf.
Zweiter Abschnitt: Vom Tode des Kaisers Marc Aurel
bis zur Alleinherrschaft des Kaisers Conslantin, 324. — Commodus
zerstört die Früchte der Negierung seiner weisen Vorgänger,
und das Verderben reißt furchtbar um sich. Die Prätorianer
setzen nach Willkür Kaiser ein und ab und tobten die wenigen
Bessern, welche den Versuch wagen, die verfallene Mannszucht
wiederherzustellen. Kaiser stehen gegen Kaiser auf, und das
Reich sinkt immer tiefer.
Dritter Abschnitt: Vom Kaiser Consiantin bis zum Un-
tergänge des abendländischen Ucichcs 476 nach Chr. — Eonstantin
verlegt den Sitz der Regierung nach Eonstantinopel und ordnet
und beruhiget das Reich. Allein unter seinen Nachfolgern sinkt
es wieder; und als die Ströme der Völkerwanderung die Gren-
zen durchbrechen, kann es sich nur durch Miethstruppen noch
eine Zeitlang schützen. Durch die gänzliche Trennung der orienta-
lischen und occidentalischen Hälfte, welche nach dem Tode des
Theodosius erfolgt, wird die letztere immer mehr den Einfällen
der fremden einbrechenden Völker bloßgestellt. Eine Provinz nach
der andern geht verloren. Endlich, durch Lasterhaftigkeit völlig
geschwächt und der Wiedergeburt unfähig, fällt Rom im Kampfe
hier mit der verjüngenden Religion des Menschengeschlechts, d e m
Ehristenthum, dort mit dem überschwellenden Strome der
naturkräftigen Germanen, im Jahre 476 nach Ehr.')
') Dr. C. Peter, Zeittafeln der rom. Geschichte. Halle 1841.
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. Erster Zeitraum.
Rom unter Königen. (754—510 v. Chr.)
§. 11. Vomulus. 754—716.
Die Bevölkerung Roms war anfangs nur klein, erhielt
aber bald einen bedeutenden Zuwachs durch neue Ankömmlinge
aus der Umgegend. Romulus, der erste König, inachte nämlich
den capitolstischen Hügel zu einer Freistatt (Asyl) von Landes-
flüchtigen aus andern Städten Italiens. Hier fand Jeder, wel-
cher Lust hatte, Aufnahme und genoß des Schutzes der römischen
Anbauer: Freie und Sklaven, Schuldlose und Verbrecher ohne
Unterschied. Nur eines noch fehlte der jungen Bürgerschaft —
Weiber. Nomulus schickte deshalb Gesandte nach den benach-
barten Städten und ließ um Heirathsverträge anhalten; aber
überall wurden sie abgewiesen. Ja, man fragte sogar höhnisch:
warum zu Rom nicht auch für schlechte Weiber ein Asyl eröff-
net wäre; das erst würde Gleichheit in der Ehe bringen!
Hierüber entrüstete sich Romulus und nahm seine Zuflucht zu
einem Gewaltstreiche. Er veranstaltete zu Ehren des Gottes
Neptun ein glänzendes mit Aufzügen und Wettkämpfen verbun-
denes Fest, die Consualia, und ließ die Bewohner sämmtlicher
Nachbarstädte dazu einladen. Sie folgten dieser Einladung,
und vor Allen fanden sich die Sabiner mit ihren Weibern und
Töchtern zahlreich ein.' Und während sie nun alle in harmloser
Fröhlichkeit den Festlichkeiten zuschauten; da plötzlich stürzten auf
ein gegebenes Zeichen die rüstigsten Römer in den Haufen der
Zuschauer und raubten die Töchter der herübergekommenen Gäste.
Die bestürzten Eltern flohen jammernd und weheklagend nack-
allen Seiten auseinander.
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50
verbreitete Schrecken um seinen Thron. Glorreich wie sein Le-
den war auch sein Tod. An- einem Tage, wo er Heerschau
hielt über das Volk, verfinsterte sich plötzlich die Sonne, ein
Sturm erhob sich mit Donner und Blitz, und eine schwarze
Wetterwolke umhüllte den König, der von da an auf Erdeu
nicht mehr gesehen wurde. Das Volk, wurde unruhig und for-
derte Rechenschaft von den Senatoren. Da versicherten diese:
der Kriegesgott selbst habe den vollendeten Sohn auf feurigem
Wagen gen Himmel geführt. Ja, der Senator Proculus Julius
verkündigte einige Tage später in öffentlicher Volksversammlung:
Romulus Geist sei ihm in glorreicher Gestalt vom Himmel er-
schienen, habe Roms Bürgern Glück und Segen verheißen und
verlangt, daß sie ihn, jetzt zum Gotte erhoben, auch göttlich,
unter dem Namen Quirinus, verehren sollten. Seitdem ver-
ehrte ihn das Volk wirklich als seinen Gott Quirinus und ver-
gaß, daß er vielleicht von den herrschsüchtigen Senatoren er-
mordet sei.
Nach dem Tode des Nomulus blieb der Thron ein ganzes
Jahr hindurch unbesetzt, und der Senat selbst übernahm die Re-
gierung.^) Von den zehn ersten Senatoren — und das waren
die Vorsteher der zehn Decurien der Ramnes — regierte Jeder,
in wechselnder Ordnung, fünf Tage lang und hatte als Jnter-
rer die königliche Gewalt und ihre Insignien. Hätte das Volk
dazu geschwiegen, so würde wohl gar kein König wieder erwählt
sein. Allein es klagte laut über die neue Vielherrschaft und
drang mit Gewalt auf die Abstellung derselben. Zugleich regte
sich die Stammeifersucht der Römer und Sabiner. Der ganze
Streit wurde endlich mit dem Vergleiche geschlichtet, daß die
Römer aus dem Stamme der Sabiner wählen sollten. Ihre
Wahl fiel auf den durch Frömmigkeit und Weisheit hochberühm-
ten Sabiner Numa Pompilius.
tz. 12. Auma Pompilius. 715—672.
Dieser hatte zwar nicht den kriegerischen Sinn des Romu-
lus, aber alle Eigenschaften eines großen Gesetzgebers und eines
gerechten und weisen Regenten. Durch seine religiösen Einrich-
8) Eine solche Zwischenregierung wurde Interregnum genannt.
t
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Julius Romulus Numa_Pompilius Pompilius
53
gegen und stellte sein Heer gegen die Albaner in Schlachtordnung
auf. Eben sollte der Kampf beginnen, als Mettus in die Mitte
beider Heere trat und den Tullns zu einer Unterredung einlud.
„Wir können es uns nicht verbergen, — sprach er bei der Zu-
sammenkunft — daß bloß Eifersucht die beiden benachbarten und
verwandten Völker gegen einander auf den Kampfplatz führte.
Warum wollen wir doch so vieles Blut vergießen! Warum
wollen wir uns einander selbst entkräften, und beide geschwächt
in die Hände unserer Feinde fallen! Lieber mag ein unparteii-
scher Kampf einzelner Männer aus deinem und meinem Heere
auf ewig entscheiden, welches Volk dem andern unterworfen sein
soll." Dem Tullns gefiel der Vorschlag. Beide gingen ausein-
der, um aus ihren Heeren die Tapfersten zu diesem Entschei-
dungskampfe auszusuchen. Zufällig dienten im römischen Heere
Drillingsbrüder, die Horatier, und eben so im albanischen, die
Curiatier. Diese boten sich freudig dazu da, den Kampf für die
Herrschaft auszufechten. Nachdem der Vertrag feierlich beschwo-
rcn war, griffen die drei Brüder beiderseits zu den Waffen und
traten unter lauten Ermunterungen und Ermahnungen ihrer Mit-
bürger in der Heere Mitte. Hier standen die Römer, dort die
Albaner vor ihrem Lager aufgestellt, voll banger Erwartung über
den Ausgang des nahen Entscheidungskampfes. Das Zeichen
wird gegeben, und der Angriff beginnt. Es blitzeil und klirren die
Schwerter durcheinander und Schauder durchfährt die Zuschauer.
Plötzlich stürzt ein Römer, und über ihn noch ein Römer sterbend
hin, und mit lautem Jubel begrüßen die Albaner das Glück ihrer
Streiter; während im römischen Lager Alle von Bestürzung und
Verzweiflung auf das tiefste ergriffen sind. Aber schwer ver-
wundet sind alle drei Albaner; der eine lioch übrige Römer da-
gegen ohne Wunden und frisch all Kraft und Muth. Dieser
nimmt plötzlich die Flucht und lockt die andern, ihn zil unter-
stützen. So trennt er listig die dreifache Gewalt, wohl voraus-
sehend, daß sie ihn nur so verfolgen können, wie es Jedem seine
schwächende Wunde zuläßt. Nach kurzer Flucht bleibt er stehen
und blickt sich um. Da sieht er seine drei Gegner weit von
einander getrennt, und einen schon ganz in seiner Nähe. Auf
diesen rennt er mit großem Ungestüin zurück; und während das
albanische Heer den Curiatiern zuruft, ihrein Bruder beizusprin-
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71
küßte die Erde, als die gemeinschaftliche Mutter aller Sterblichen.
Der Spruch des Gottes ging an ihm in Erfüllung. Brutus
fand bald Gelegenheit, die Maske abzuwerfen und der Retter
und Befreier Roms zu werden. Tarquinius belagerte Ardea,
die befestigte Hauptstadt der Rutuler, die sich ihm nicht hatte
unterwerfen wollen. Eines Tages, als im Lager die königlichen
Söhne mit ihrem Vetter, dein L. Tarquinius Collatinus, bei
einem fröhlichen Gelage zusammen waren, kam das Gespräch
auch auf ihre Frauen, und Jeder räumte der seinen den Vorzug
ein. Es wurde beschlossen, sie in Rom zu überraschen. Lucretia,
Collatin's Gattin-, trug den Preis davon. Die anderen Frauen
fand man schwärmend in frohen Gesellschaften, während die Lu-
cretia allein sittsam und häuslich im Kreise ihrer arbeitenden
Sklavinnen saß. Einige Tage nachher ritt Sertus allein aus
dem Lager uach Rom zurück und entehrte mit roher Gewalt die
edele Lucretia, deren Schönheit in dem Herzen des wüsten Jüng-
lings eine unselige Leidenschaft entzündet hatte. Die unglückliche
Frau wollte ihre Schmach nicht überleben. Schleunigst ließ sie
ihren Gemahl nebst Brutus und einigen andern bewährten Freun-
den aus dem Lager herüberkommen, klagte ihnen jammernd die
erlittene Unbilde und stieß sich im Übermaße des Schmerzes vor
ihren Augen einen Dolch in die Brust. Da erhob sich zum Er-
staune« Aller der früher verkannte Brutus. Während Vater und
Gatte wehklagten, riß er den blutigen Dolch aus der Wunde,
ließ die Leiche der Selbstmörderin öffentlich auf dem Markte zur
Schau ausstellen und schwur Rache dem Frevler und der ganzen
königlichen Familie. Er hielt eine begeisternde Rede an das ver-
sammelte Volk und schilderte mit den grellsten Farben die Un-
thaten des Tarquinius und die Schmach des Volkes und wirkte den
Beschluß aus, nach welchem die Königswürde abgeschafft und Tar-
quinius mit seiner Familie auf immer verbannt wurde'). Sogleich
wurden alle Thore geschlossen, während der unermüdliche Brutus
nach dem Lager eilte und, in Abwesenheit des Königs, auch das
Heer gewann, so daß es sofort nach Rom aufbrach und sich hier
an die Bürger anschloß. Jetzt, von der Stadt und den Trup-
x) Incensam multitudinem perpulit (Brutus), ut imperium regi ab-
rogaret exulesque esse juberet L. Tarquinium cum coniuge ac liberis
Uv. I. 59.
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59
Wasserleitungen an, vermittelst welcher das nöthige Wasser aus
der Tiber auf die Hügel geleitet wurde. Die Kosten zu diese» und
andern Kunstbauten bestritt er aus der reichen Beute, welche er
den Latinern und Etruskern in glücklich geführten Kriegen ab-
genommen hatte. Es heißt sogar, er habe die zwölf Städte der
Etrusker erobert und von diesen als Zeichen der Huldigung die
goldene Krone, das Scepter, den elfenbeinern Stuhl und die
purpurne Toga (Obcrkleid) erhalten. — Nach einer langen segens-
reichen Negierung ward Tarquinius auf Anstiften der Söhne des
Ancus ermordet. Bisher hatten diese ruhig unter der Regierung
des Tarquinius gelebt, weil sie sich Hoffnung machten, nach ihm auf
den Thron zu gelangen. Als sie aber sahen, daß er Alles dar-
auf anlegte, seiner Familie den Thron zu erhalten, gebrauchten
sie gewaltsame Mittel. Auf ihr Anstiften mußten zwei Hirten
mit ihren Arten zankend und streitend in die Wohnung des Kö-
nigs dringen und diesen zur Schlichtung ihres Streites auffor-
dern. Der alte Tarquinius. ließ sie vor sich kommen; und
während er der erdichteten Erzählung des einen aufmerksam zu-
hörte, schlug ihn der andere mit seiner Art zu Boden, und Beide
nahmen die Flucht^). Jedoch erreichten die Söhne des Ancus ihre
Hauptabsicht nicht. Gleich nach jener Unthat ließ Tanaquil die
königliche Burg schließen und feuerte ihren Schwiegersohn, Servius
Tullius, an, sich des erledigten Thrones zu bemächtigen. Und
alsbald öffnete sie das Fenster und verkündete dem Volke, das
auf das Gerücht der Ermordung seines Königs hier zusammen-
gelaufen war: Tarquinius lebe noch und habe bis zu seiner
Genesung den Servius zu seinem Stellvertreter ernannt. Da
nahmen die Söhne des Ancus, die auch noch erfuhren, daß sie
von den ergriffenen Hirten verrathen worden waren, die Flucht.
Servius aber erschien nunmehr öffentlich mit dem ganzen Ge-
pränge der Herrscherwürde und fand als königlicher Stellver-
treter willigen Gehorsam. Endlich, nachdem er sich der Zuneigung
des Volkes hinlänglich versichert hatte, machte er den Tod des
Königs bekannt und setzte nun mit Einwilligung der Väter die
bereits angetretene Regierung fort. Er war demnach der erste
3) Darin, daß der König selbst Händel schlichtete, spricht sich zugleich
die große Einfachheit aus, die damals noch herrschte.
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Extrahierte Personennamen: Servius
Tullius Servius Servius
67
mögen den Ausschlag gab, konnten auch neue Familien empor-
kommen; und jedem Bürger war ein schönes Ziel seiner Bestre-
bungen angewiesen. Er brauchte nur durch Fleiß und Thätigkeit
das erforderliche Vermögen zu erringen, um aller Vorrechte sei-
ner Obern theilhaftig zu werden.
Das Glück, welches den Servius bisher begünstigt hatte,
verließ ihn im Alter, er wurde das Opfer einer grausamen
Verschwörung. Viele waren mit seinen Neuerungen höchst unzu-
frieden. Die Altbürger insbesondere konnten es nicht verschmer-
zen, daß sie ihre angeerbten Vorrechte nun mit den Plebejern
theilen sollten. Auch kränkte es sie, daß ohne ein vorhergegan-
genes Interregnum Servius sich des Thrones bemächtigt hatte.
An solche Regungen des Unwillens knüpften die übergangenen
Söhne des Königs Priscus, Aruns und Lucius Tarquinius,
neue Hoffnungen und Bestrebungen, und sie selbst wurden Leiter
und Führer der Partei der Unzufriedenen. Servius, eingedenk
des Todes seines Vorgängers, hatte sich mit ihnen auszusöhnen
gesucht. Er hatte seine beiden Töchter mit den beiden Söhnen
desselben verheirathet. Wie diese, so waren auch seine Töchter
von ganz entgegengesetztem Charakter. Seine jüngere Tullia war
wild und herrschsüchtig wie Lucius Tarquinius, seine ältere Tullia
dagegen sanft und gutherzig wie Aruns Tarquinius. Da hatte
nun Servius, in der Hoffnung, die heftigen Gemüther durch die
Verbindung mit den sanften zu mildern, seine jüngere Tullia dem
Aruns, seine ältere dem Lucius zur Ehe gegeben. Aber der Er-
folg fiel ganz gegen seine Hoffnung aus. Die jüngere Tullia
tödtete ihren Mann, dagegen Lucius Tarquinius seine Frau, und
nun verband sich das gleiche Paar mit einander. Hiermit noch
nicht zufrieden, faßten sie gemeinschaftlich den Plan, den von
Alter und Gram gebeugten Servius vom Throne zu stürzen.
Durch Zureden und Geschenke gewannen sie einen Anhang unter
dem Volke und brachten auch eine Menge Senatoren auf ihre
Seite. Endlich, als der Augenblick zur That gekommen schien,
da begab sich Lucius, im königlichen Schmucke, an der Spitze
einer bewaffneten Schar nach dem Markte und ließ hier die
Senatoren in die Curie entbieten. Sie kämm ohne Verzug und
hörten der heftigen Schmährede zu, die Tarquinius gegen den
Servius hielt. Auf die Kunde von diesen Vorgängen eilte Ser-
5*
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Extrahierte Personennamen: Servius Servius Lucius_Tarquinius Servius Lucius_Tarquinius Aruns_Tarquinius Servius Lucius_Tarquinius Servius Lucius Servius
80
Diktator verwundete den König Tarquinius, der ungeachtet des
hohen Alters an der Schlacht Theil nahm. Zwei Söhne und
der Schwiegersohn des Tarquinius fielen, und das Glück des
heißen Tages neigte sich auf die Seite der Römer. Da endlich
floh der hoffnungslose König, aller seiner Kinder beraubt, nach
Cumä in Campanien. Hier rief bald nachher der Tod den
lebensmüden Greis von dem Schauplatze seiner vieljährigen Leiden.
Schon im dritten Jahre nach der Schlacht am See Regillus
wurde der alte Bundesverein zwischen den Römern und Latineru
und das Verhältnis beider Völker gegen einander wieder herge-
stellt und befestigt.
Streit zwischen den Patriciern und Plebejern
von 500 bis 300 vor Chr.
§. 19. Die Volkstribuncn. 493.
Rom schien nach aufgehobener Königsregierung vollkommen
frei zu sein. Allein die Freiheit genossen nur die Patricier, nicht
die Plebejer. Statt der Könige, die sich im Ganzen wohlwollend
gegen die Gemeinde bewiesen hatten, um an ihr eine Stütze zu
finden gegen die herrschsüchtigen Patricier, regierten jetzt diese
selbst mit den aus ihrer Mitte erwählten Consuln. Sie beklei-
deten ausschließlich alle öffentlichen Ämter, sie richteten nach ihrer
Willkür das Volk, sie hatten den Nießbrauch der Staatslände-
reien, die sie gegen hohen Zins den Plebejern verpachteten. In
den vielen Feldzügen eines jeden Jahres ließ der Patricier seine
Ländereien durch Clienten oder Sklaven bebauen. Das konnte
der arme Plebejer nicht; er mußte sie wüst liegen lassen oder
sein kleines Eigenthum oft sogar verkaufen, um nur die Kosten
des Feldzuges zu bestreiten; denn für Waffen und Lebensunter-
halt während desselben mußte Jeder selbst sorgen. Eben sowenig
konnte er bei anwachsender Verlegenheit des Hausstandes eine
Minderung der Landsteuer gewinnen, welche nach dem Wortlaut
der einmal aufgenommenen, für vier Jahre gültigen Schätzung
mit unerbittlicher Strenge eingetrieben wurde. Und kam er
nun aus seinen Freiheitsschlachten zurück, so fand er seine Felder
verwildert oder vom Feinde selbst verheert und gerieth mit Weib
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn]]
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TM Hauptwörter (200): [T146: [Rom Römer Stadt Krieg Gallier Rmer Italien Heer Jahr Schlacht], T162: [Jahr Rom Senat Plebejer Volk Gracchus Cicero Gesetz Konsul Marius], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
82
tors auszuführen hatte; und die Consuln legten ihr Amt für die
Zeit der Dietatur nieder. Diese sollte gesetzlich nicht länger als
sechs Monate dauern; einmal, damit nicht diese unumschränkte
Gewalt in eine vollständige Alleinherrschaft ausarte, dann aber
auch wohl aus Rücksicht für die Consuln selbst, die ja ihr Amt
für ein ganzes Jahr erhalten hatten, durch die Ernennung
eines Diktators aber für eine gewisse Zeit gleichsam abgesctzt wur-
den. In der Regel jedoch legte der Diktator noch vor Ablauf
dieser Zeit sein Amt nieder, und zwar immer, wenn das erfüllt
war, weswegen man ihn gewählt hatte. Sofort traten dann
die Consuln wieder ihr Amt an. Bei jeder drohenden Gefahr
des Staates, wenn schleunige Entschließung und Ausführung
nöthig war, wurde ein Diktator erwählt, in der Regel aus den
Consularen; und vierundzwanzig Lictoren mit ihren Fasces ver-
sinnlichten äußerlich seine furchtbare Machtfülle Schrecken ging
durch das Volk, das nun auch seines letzten Schutzmittels, der
Provokation, beraubt war, und es wagte nicht, sich den Anord-
nungen des Diktators zu widersetzen. Zweimal nach einander
zog es aus und bekämpfte siegreich die Feinde, welche Tarqui-
nius gegen Rom in Bewegung gesetzt hatte.
Die Patricier, wenigstens die Mehrzahl derselben, hatten
noch immer einige Schonung gegen die Gemeinde bewiesen, so
lange sie fürchteten, diese mögte den Tarquinius zurückberufen.
Als aber der Tod desselben sie von dieser Furcht befreiet hatte,
da verdoppelten sie ihre Bedrückungen, und die furchtbaren Rechte
der Gläubiger gegen ihre Schuldner kamen zur vollen Ausfüh-
rung. Den Patriciern gegenüber nahm die Gemeinde eine immer
drohendere Stellung an. Appius Claudius war zum Consul
erwählt worden, neben ihm aber der sanfte Servilius, damit bei
der Verwaltung Milde mit Strenge sich paare. Letzterer trug
im Senate darauf an, den Schuldnern Erleichterung zu gewäh-
2) Creato dictatore — magnus plebem metus incessit, ut inten-
tiores essent ad dicto parendum, biv. Ii. 18. — Vvn dem mächtigen
gegen die Plebejer gewählten Dictator muß man den Dictator unter-
scheiden, der zuweilen ernannt wurde, um einen Jahresnagel in die
Cellenwand des Jupitertempels auf dem Capitol einzuschlagen, weil eine
alte Sage ging, daß durch das Einschlagen eines solchen Nagels einst
einer Pest oder einem Aufruhr das Ziel gesetzt worden sei.
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